Patenschaften

Dresden kann auch anders: Anne und „ihre“ Familie Al Jasim

Flüchtlinge in Sachsen?
Nirgendwo sonst in Deutschland scheinen sich rechte Hetze und Übergriffe so sichtbar zu verbreiten wie hier. Genau deshalb wollten wir wissen: Gibt es in Sachsen Engagement für geflüchtete Menschen? Wie geht es den geflüchteten Menschen hier und was erleben sie?

Also besuchten wir Anne und „ihre“ Familie Al Jasim.

Die Familie
Die Familie Al Jasim – das sind die Mutter Gulizar Mistikalo (45) und die fünf bei ihr lebenden Kinder (12 bis 20 Jahre alt) – Nour Aldeen, Kamal, Shiar, Kamiliar und Innam Al-Jasim. Vier weitere erwachsene Kinder leben in anderen Städten.

Mit fünf Kindern auf der Flucht
Gulizar stammt aus Syrien. Sie flüchtete vor der Gewalt des sich ausbreitenden Krieges, um sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Im Dezember 2015 machten sie sich ganz allein auf den Weg. Aus Aleppo in Syrien ging es über die Türkei nach Griechenland, von dort nach Mazedonien, über Serbien und Kroatien nach Slowenien. Schließlich erreichten sie alle gemeinsam Österreich und konnten nach Deutschland weiterreisen. Im Januar 2016 kamen sie endlich in Dresden an.

Familie Al Jasim zeigt uns ihren Fluchtweg

Über den Krieg sprechen? Niemals.
Der Krieg in ihrer Heimat, eine so lange Reise. Das alles ohne Schutz und ohne Sicherheit, mit so vielen jungen Kindern. Wir können uns vorstellen, dass das entsetzlich und gefährlich gewesen sein muss. Wir fragen Gulizar danach. Aber sie schweigt und schüttelt eisern den Kopf. Nein, darüber möchte sie nicht sprechen. Auf gar keinen Fall. 

Lieber schaut sie nach vorn. Die Familie muss nicht in einer Massenunterkunft leben, sondern ist in einer eigenen Vier-Zimmer-Wohnung am Rande der Stadt Dresden untergebracht. Das klingt fast luxuriös – doch acht Menschen teilen sich die vier Zimmer. Denn außer der Familie Al Jasim leben in der Wohnung noch ein Syrer und sein Neffe, die ebenfalls vom Krieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

In Dresden-Prohlis hat Familie Al Jasim ein Zuhause gefunden

Gulizar macht das nichts. Denn ihre Kinder sind in Sicherheit und können zur Schule gehen, der Krieg ist weit weg. Ein bisschen Enge ist da nebensächlich. Und außerdem ist da Anne. "Anne", sagt Gulizar, "lasse ich nie wieder gehen." Wer ist diese Frau?

Die Patin
Die 53-jährige Anne Ingram weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, sich in Deutschland neu zurechtfinden zu müssen. Deshalb hilft sie nun anderen dabei. Sie ist Amerikanerin und seit 1999 in Deutschland. Hier in Dresden engagiert sie sich ehrenamtlich bei der AWO Sonnenstein gGmbH. Sie ist Patin der Familie Al Jasim und anderer geflüchteter Menschen in Dresden.

Im Gespräch mit Anne (links) und Gulizar (mittig).

Was heißt das eigentlich: Patin sein?
Anne hilft beim Schulwechsel der Kinder, bei der Einrichtung von Girokonten, begleitet den Gang zur Ausländerbehörde, Arztbesuche und vieles mehr. Für Anne ist diese Unterstützung selbstverständlich. Sie sagt: "Wenn jeder nur ein kleines bisschen Zeit verschenken würde – sei es für einen einmaligen Besuch im Zoo oder eine Einladung zum Essen – wäre vielen Menschen geholfen."

Dresden kann auch anders
Dass Gulizar und Anne sich gefunden haben, das ist auch Rebecca Kirsch (26), Betreuerin des Bereichs Ehrenamt/Asyl von der AWO Sonnenstein, zu verdanken. Rebecca vernetzt und unterstützt in Teilen von Dresden und Pirna ca. 25-30 Ehrenamtliche und bringt z. B. Patinnen und geflüchtete Menschen zusammen.

Rebecca Kirsch

Die über zwei Dutzend Ehrenamtlichen und die vielen weiteren Patinnen und Paten in der AWO werden es nicht in die nächsten Nachrichten schaffen. Sie sind aber bei weitem nicht die einzigen, die sich rassistischen Auswüchsen in der Region entgegenstellen. Sie sind diejenigen, die die viel geforderte Willkommenskultur Wirklichkeit werden lassen. Und sie sind im Alltag Dresdens gegen rechte Hetze und Rassismus aktiv, indem sie ganz einfach machen – sie sind im Kleinen wie im Großen solidarisch mit den Flüchtlingen. Eben genau so, wie Anne es ausgedrückt hat: Wenn jede/r ein kleines bisschen schenkt, ist vielen Menschen geholfen.

Damit ist unsere Reise fast abgeschlossen. Unser letzter Halt wird Berlin sein. Wer noch einmal nachlesen möchte: Zuletzt waren wir in Gelsenkirchen

Die Patenschaften begleiten wir im Rahmen der Patenschaftskampagne "Weil uns mehr verbindet - als uns trennt!". Die AWO hat knapp 3.600 Patenschaften für geflüchtete Menschen übernommen. Sie wird gefördert vom Patenschaftsprogramm des BMFSFJ "Menschen stärken Menschen". Die Patenschaftskampagne ist Bestandteil des AWO-Themenjahres "Für Menschen nach der Flucht. Gemeinsam in Würde leben".

#wasunsverbindet




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